Die Farbwechsellampe unter den Saunabänken hat einen Wackelkontakt. Das stört, auch mit geschlossenen Augen.
„Das geht jetzt keiner ausmachen“, seufzt eine Dame, „das ist viel zu heiß unten am Schalter.“
Sonst herrscht immer Stille in der Zelle.
„Wenn ich ehrlich bin, hätten die das längst merken können“, schiebt sie nach, „beim Aufguss nämlich.“ Sie richtet sich auf und dreht eine Sanduhr um, das hatte sie vorhin vergessen.
Rotblitz. Gelblicht. Weißblitz. Gelblicht. Rotblitz.
„Aber die Leute meckern ja immer! Man muss sich auch mal arrangieren können!“ Sie justiert ihre Kopfstütze neu am Handtuch-Rand.
„Nachher vorne Bescheid sagen, dann werden die schon was machen!“
Blitz! … … … Blitz! … … … Blitz!
Sie rutscht unruhig hin und her auf ihrem Sauna-Tuch und fasst zusammen:
„Also, ganz ehrlich, die Leute regen sich immer zu schnell auf!“
Nachbarschaftshilfe
Drei Männer mit großen Keschern schleichen durch das Wäldchen. Dabei gibt es dort eigentlich kaum Schmetterlinge. Sind es vielleicht Insektenforscher? Klar, Entomologen! Die kartieren jeden Käfer, und besonders seltene kommen aufgespießt in einen Rahmen hinter Glas.
Ameisen sehe ich dort regelmäßig, braune Schnecken, Eichhörnchen und manchmal Rehe. Keine übliche Kescher-Beute.
Aber ich habe ja auch keine Ahnung.
Eine Stunde später lässt sich alles im Internet recherchieren.
Im Zoo war das Pfauen-Pärchen ausgebüxt. Den drei Tierpflegern sei es nicht ins Netz gegangen, ein Nachbar lockte die beiden in seine Garage.
Tor zu.
Anruf beim Zoo.
Ein Händedruck unter Männern.
SAMSUNG & Co.
Damals, als Studentin, stand ich oft auf meinem U-Bahnsteig in Berlin und vertrieb mir die Wartezeit damit, nach Mäusen im Gleisbett zu suchen. Mein Blick war so auf den starren Schotter gerichtet, dass mir keine Bewegung im nächsten Fünf-Meter-Abschnitt entging. Scheuklappen und Maus-Fokus. Irgendwann zuckte ein vermeintliches Steinchen, trippelte an der Kante entlang und flitzte davon. Ab in die noch tiefere Unterwelt. Hin und wieder habe ich eine Ratte gesehen. Das war mir schon zuviel. Inzwischen weiß ich, dass etwa halb so viele Ratten wie Menschen in Berlin leben.
Aber: Heutzutage schaut in der Wartezeit kaum noch jemand ins Gleisbett.
Everything you need
Manchmal braucht man einen besonderen Ort, um ein Gedicht zu schreiben, ein zoom meeting zu überstehen oder zu sich selbst zu finden. Kann ja sein, dass dafür ein workspace genau richtig ist. Den gibt es nun auch als tiny house.
Sogar mitten in Berlin.
Am Bahnhof Zoo. Wo der Bär steppt:
Immerhin ist auf der Schwelle sogar ein Nickerchen möglich.
Tagespflege
Auf dem Tisch steht ein kleines Planschbecken, in dem Plaste-Enten auf dem Wasser hin und her wackeln. Jede Ente hat einen Ring auf dem Kopf. Um den Tisch herum sitzen fünf alte Damen mit Angeln. Vieles in ihrem Leben haben sie längst vergessen, erst recht, welcher Tag gerade ist. Aber dass dies ein Kinderspiel sein muss, ist ihnen klar. So ein Quatsch.
Wer die meisten Enten angelt, hat gewonnen.
Kikifax.
Aber wozu sich sträuben.
Sieht ja keiner.
Sie lassen sich von der Pflegerin nochmal zeigen, wie das geht mit der Angel – und zack, greift deren Haken in den Entenring.
Jetzt jede für sich.
Eine der Damen peilt mit der Angel ein Entchen an. Putt-putt-putt … Das Viech hört nicht. Nochmal. Der Haken pendelt vorbei. Erst links. Dann rechts, herrjeee. An irgendetwas fühlt sich die Frau erinnert. Das war genauso fummelig. Einfädeln, natürlich. Sie müsste ein bisschen nachhelfen mit der Hand, aber das zählte bei der gegenüber auch nicht.
Jetzt.
Die Ente hängt.
Sie tropft.
Ein Punkt.
Was für ein Spaß!
Der Geiger
Er beugt sich über die Noten. Ein Quartett von Haydn. Seit er seinen Ohren nicht mehr traut, zelebriert er Kammermusik blätternd und nicht mehr am Instrument. Mit 92 Jahren ist das nun mal so. Auch bei einem Berufsmusiker. Er hat trotzdem seine Freude an den typischen Neckereien der Komposition, atmet in den Auftakt hinein und trommelt den Rhythmus auf dem Unterarm. Sein kleiner Finger gehorcht manchmal nicht auf der Saite, der will immer extra vorbereitet werden, dieser Schelm! Das hat der Geiger ihm inzwischen verziehen. Täglich spielt er Solo-Suiten, ganz allein, damit die Finger in Bewegung bleiben.
Musik ist sein Leben.
Gestricktes
Meine Großmutter hatte einst einen Ordner angelegt für ihre Zeugnisse, wichtige Briefe und Rechnungen.
Von A bis Z.
Von 1923 bis 1948.
Privat steht auf dem Etikett.
Ganz gerade liegen die Dokumente nicht aufeinander. Irgendetwas ist noch dazwischengetüdelt.
Etwas Kleines – – – Gestricktes:
Meine Mutter ist also sehr früh mit Nadeln und Wolle vertraut gemacht worden.
Auf Reisen
Gusseisen hat immer etwas Archaisches.
Hier ist es so behutsam gestrichen, dass die Ornamente noch ihre Geschichten erzählen können.
Zum ersten Mal habe ich an diesem Ort ein wenig Zeit, schaue hinauf in das Gebälk und entdecke am Kapitell genau dort Gesichter, wo sonst mitunter Videokameras angeschraubt sind.
Vielleicht braucht es die hier nicht, weil die Putten alles im Blick haben?
Wo sind wir?
Ein Heimaträtsel.
Schöne Augen
Abseits aller trüben Launen
einte wohl das pure Staunen
alle Vogel-Exponate,
als das letzte Stündlein nahte.
Zwergohreul‘ und Eichelhäher
fühlen wir uns gleich viel näher.
Doch Wahrheit spielt hier mit Ästhetik –
sind hübsche Äuglein wirklich nötig?
Najaaa …
Wie mancher wohl zusammenzuckt,
wenn solch ein Vogel doch nicht guckt?
Ein Präparator mit Geschick
hat den Betrachter auch im Blick.
Fotos: Vogelpräparate aus dem Museo Mandralisca in Cefalù
Eine Pizzeria in Palermo
Ein plötzlich einsetzender Wolkenbruch bringt alles durcheinander auf der Terrasse der Pizzeria. Die Papierdecken auf den unbeschirmten Tischen stehen sofort im Wasser. Ein Kellner springt von einem Serviettenhalter zum nächsten und türmt die klatschnassen Boxen auf sein Tablett.
Die Pasta – unter einem Schirm – war großartig.
Ich lege mein Besteck in die „Fertig!“-Position.
Die Kasse sei drinnen.
Ein paar Münzen liegen da einfach so rum.
Ach nein, sie klimpern gar nicht.










