Die Nordumgehung

Als Erstklässler erschien uns unser Schulweg endlos. Wir wohnten in Frankenhorst, einem versteckten Winkel am Ziegelaußensee. Wenn wir ins Dorf hoch wollten – eigentlich wollten wir nicht, weil auf dem Schulhof nun mal auch gerauft, gekloppt und geschimpft wurde – dann mussten wir das große hügelige Feld zwischen Carlshöhe und Wickendorf umrunden. Falls Bauer R. den Ganter draußen hatte, nahmen wir einen Umweg, rannten ein Stück weit über die Ackerfurchen und hatten noch an der Klassenzimmertür Matschbrocken an den Sohlen.
Mittags trödelten wir zurück. Ich tapste am katzenkopfgepflasterten Schmiedeberg auf meinen Lieblingsstein und freute mich auf die Ruhe, die sommers erst hinter der Badestelle einsetzte. Dort begann der Sandweg, der bis zum Paulsdamm führte und auf dem nach hunderten Kinderschritten rechterhand der Weg nach Frankenhorst abging. Wir redeten uns damals ein, dass es gut war, weitab zu wohnen. Umso unberührter und heiliger blieb das verwunschene Zuhause. In der Schule gab es zwar Wasserklosetts, aber bei uns war es anheimelnd und ofenwarm. Vom Kinderzimmer aus sahen wir durch den Park auf den See. Meine Schwester und ich waren einander genug.

Mehr als vier Jahrzehnte später wird die Streckenführung der großen Nordumgehung geplant. Zwischen Carlshöhe und Wickendorf soll quer über den Acker die Trasse gebaut werden, knapp am Bauern R. vorbei. 33 Millionen Euro werden die 3,9 Kilometer kosten.
Da kann der Ganter noch so mit den Flügeln schlagen!