In Lenins Mausoleum bin ich nie gewesen, wohl aber bei Dimitroff, damals in Sofia. Da war er noch keine 30 Jahre tot. Das von Spots gezielt beleuchtete Gesichtchen über dem steifen Kragen war beim Vorübergehen kurz zu sehen gewesen. Präsenter war die Absperrkordel. Als ich mich bemühte, an etwas Feierliches zu denken, waren wir schon durch. Was sollte solch eine einbalsamierte Hülle auch preisgeben? Dimitroff hatte genug hinterlassen, was schlichtweg nachzulesen war. Natürlich.
Jetzt stehe ich an Ötzis Eiskammer, habe ihn hinter der Sichtscheibe – unbekleidet – recht nah vor mir und gucke mich an seinem Ellenbogen fest, auf dem ein Tröpfchen festgefroren ist. Vor 6000 Jahren hat er gelebt. Heute weiß man von seinen Gefäßverkalkungen und seiner Laktoseintoleranz und hat auch die Pfeilspitze, die ihn tödlich getroffen hatte, gefunden. Ich kann mich ehrfürchtig sattsehen – kurz vor Schließung des Museums, also der besten Besuchszeit. Denn auch in Bozen gibt es tagsüber Warteschlangen – wie in Moskau und damals in Sofia*. Die Kombination von Tod, Konservierung und Forscherdrang weckt bei vielen den Wunsch, ganz nah ranzugehen und innezuhalten.
* Dimitroff wurde im Sommer 1990 eingeäschert, sein Mausoleum 1999 gesprengt.