Interzonenjahre. Sechste Leseprobe

Lohne, 1948

„Ein Notfall, Herr Doktor, meine Schwester!“ Hanni fluppten die Tränen aus den Augenwinkeln.
„Wieder die Luft?“, fragte er. Kannte er doch Gigi!
„Sie kriegt keine mehr. Und sie spricht von Soldaten.“
Der Doktor stöhnte, ließ sie noch so lange an der Treppe warten, bis
er den Arztkoffer geholt hatte, und sagte: „Lauf, Kind!“
Lieber Herr und Vater, du bist so gütig.
Hanni wusste, jetzt würde es Gigi gleich besser gehen.Wenn sie doch
erst dort waren! Wie zwei Landstreicher tobten sie durch den Schnee,
der Doktor kriegte auch kaum Luft. Er musste noch den schweren
Koffer tragen mit den Spritzen und was er dort alles drin hatte.
Die Hoftür knarrte, Howard schoss aus der Hütte. Still, Howard, der
Doktor ist da. Hanni rannte voraus, hielt dem Besucher die Tür auf
und stoppte an Gigis Bett.
Gigi schlief. So entspannt hatte sie lange nicht ausgesehen. Und so
schön. Mama saß am Fußende und konnte den Blick nicht von ihr
wenden. Sie schien nicht zu bemerken, dass der Doktor gekommen
war. Der verharrte an der Tür und hielt seine Tasche mit beiden Händen
fest.

Aus dem sechsten Kapitel