Solarstrom-Lektion von Oma

Bei den Nachbarn wird wieder King-Domino gespielt. Ich sitze mittendrin, genieße die sonnige Abendstimmung am Wohnzimmertisch und erfasse allmählich meine strategischen Möglichkeiten. Ein bisschen Siedler-feeling kommt sogar auf. Die Kinder sind die Profis. Das Spiel wird immer spannender und ich – poch-poch-poch-poch – höre sogar mein Herz klopfen. Seltsam genug. Schlägt es doch sonst immer still vor sich hin! Und niemals in Ohr-Nähe … Es tickt richtig!
Als die ergatterten Punkte zusammengerechnet werden, suche ich mein Umfeld ab. Vielleicht ist das gar nicht mein Herzschlag?
Da – auf dem Fensterbrett schwingt ein stehendes Schaf klackend seine Hüften. Sowas kannte ich bisher nur von um sich schlagenden Topfpflanzen und winkenden Katzen. Nun ein Schaf. Mit dem Kopf wackelt es auch.
„Noch eine Runde?“, fragt die Mutter.
„Ja, aber die Sonne blendet“, sagt das jüngere Mädchen.
„Mach doch zu“, meint seine Schwester.
Raaaaaaaaatsch, ist die Gardine vorgezogen. Das Restlicht macht das Zimmer rötlich.
„Du fängst an“, sagt die Große, und ich ziehe drei Karten.
Jetzt weiß ich, wie ich’s angehen muss. Und ich will gewinnen! Herzklopfen habe ich nicht. Das Ticken ist auch nicht mehr zu hören.
Ja, das Schaf ist ganz ruhig. Es schüttelt nur noch ein bisschen den Kopf, als wollte es mit den Ohren wackeln.
„Es hat kein Licht“, sagt die Jüngere, als sie mein Erstaunen bemerkt. Sie zieht die Gardine wieder ein paar Zentimeter zurück. „Das reicht schon“, lacht sie dann, schüttelt rhythmisch den Kopf und deutet erklärend auf das tanzende Schäfchen: „Ist von Oma!“