Fingerfertigkeiten

Mit sieben Jahren schon haben Mirko und sein Kumpel Holz gehackt, damals, in den siebziger Jahren. Mirko legte die klobigen Kaventsmänner auf den Klotz, der Kumpel schlug die Axt in das Holz, und Mirko sammelte die Scheite zusammen.
Die Lust ließ irgendwann etwas nach, die Aufmerksamkeit auch.

Hundert Mal war ich in seinem Laden, aber ich bemerke jetzt erst, dass Mirko ein Finger fehlt.
„Ich kaschier‘ das immer ein bisschen“, sagt er und macht mit der Rechten eine lockere Faust, das genügt schon.
Außer mir sind gerade keine Kunden da. Also streckt er die Finger wieder. Welch eine riesige Hand! Aber statt eines Zeigefingers ist da ein kurzer Rest.
Im Krankenwagen noch habe Mirko seine Mutter getröstet. Erst als der Arzt ihm nach der Operation eingestand, dass die beiden betroffenen Finger-Glieder nicht mehr zu gebrauchen waren, packte ihn das Entsetzen.
Es war schlimm. Das ist es manchmal immer noch. Aber nur beim Handschlag.
Beim Wieder-Schreiben-Lernen gab er sich mehr Mühe als zuvor und beeindruckte die Lehrerin. Ein bisschen wurde er zum Helden.
Seine Mutter holte später einmal ein altes Foto hervor, auf dem Mirko – noch unversehrt – ein Glas Milch in der Rechten hält, und der Zeigefinger steht anscheinend nutzlos ab. „Als hätte der das schon geahnt, mein Junge.“
Mirko geht durch seinen Laden und lacht. Er braucht seine Hände. Und so wie sie sind, ist es gut.
Die zauberhaften Schalen, die er an seiner Töpferscheibe dreht, finden immer reißenden Absatz.