Luises Tasse

Es spricht sich schnell herum vor den Vitrinen.* Die Legende ist konkret und kitzelt dennoch Fragen hervor. Gezeigt wird die „Tasse, woraus die Königin Louise zuletzt getrunken“ habe. Zuletzt – also nach ihr niemand mehr? Oder zuletzt – und dann nahm sie nichts mehr zu sich? So war es wohl gemeint. Ihrer Tochter Alexandrine wird beim Verfassen der Notiz die Doppeldeutigkeit nicht aufgefallen sein.
Eine goldene Sonne mit unzähligen Strahlen und der kaum noch sichtbaren Andeutung eines Lächelns krümmt sich am Rund der Tasse. Gegenüber formt sich aus dem Rand heraus der hohe Henkel. Das Gold ist hier ein wenig abgegriffen, und auch im Inneren weist es Kratzer auf. Geschirr aus der KPM, oftmals rasch zum Mund geführt und hart wieder abgesetzt. Vielleicht hat der goldene Porzellanfuß einiges aushalten müssen in der preußischen Königsfamilie.
Luises Sterbebett stand in Hohenzieritz. Der 19. Juli 1810 mag ein heißer Tag gewesen sein. Friedrich Wilhelm III. hat es mit zwei Söhnen gerade noch zu ihr geschafft. Vier Stunden später ist sie gestorben.
Vielleicht stand die Tasse mit der Sonne da nicht weit. Es kann sogar sein, dass die in Gold geschriebenen Worte auf der Untertasse für die Sterbenskranke eine hoffnungsfrohe Bedeutung hatten. Sie strahle deinen künft’gen Tagen
Fast 210 Jahre später steht die Sonnentasse in dezentem Vitrinenlicht. Und die kleine Anekdote strahlt mit ihr um die Wette.

*in der neuen Dauerausstellung „Königliche Geschenke“ im Schweriner Schloss