Fotosession. Ellen hatte sich die Tracht einer Krankenschwester aus dem Theaterfundus ausgeliehen. Der gestärkte Kragen, hochgeknöpft und rein, kontrastierte mit ihrem lasziven Lächeln. Sie stützte sich auf das verrostete Krankenbett-Gestänge, über dem die Reste einer OP-Lampe aus Vorkriegszeiten baumelten.
Ellen sah direkt in die Linse, veränderte im Takt der Auslösegeräusche minimal ihre Position, nur ihren Blick nicht.
Der Fotograf setzte das Licht neu und sortierte mit dem Fuß den Müll, der auch jetzt nicht in den Griff zu kriegen war, seit in der bewachten Klinik-Ruine nur noch Fotofreaks unterwegs waren.
Irgendwann sagte er: „Okay.“
Ellen schälte sich aus der Schwesterntracht und schlüpfte in Jeans und Pullover.
Die Immobilie sollte verkauft werden. Wenn sich diese Räume in Wohnungen und Ateliers verwandelten, würde von Urgroßvaters Krankenzimmer keine Spur mehr bleiben. Großmutter hatte ihr gezeigt, wo sein Bett gestanden hatte, als er sich 1940 hier die Seele aus dem Hals hustete.
Ellen blieb an einem Türrahmen stehen. Die Tapeten waren in ganzen Bahnen von den Wänden gerutscht. Das glaslose Fensterkreuz fand sie im Schutt auf dem Boden.
Jedes Mal war das Zimmer einen Schritt weitergekommen im Verfall.
Sie knipste es mit ihrem Smartphone und überlegte, ob sie sich heute ein Stück Tapete mitnehmen sollte.