Die evangelische Nikolaikirche vor meinem Fenster ist immer verschlossen und mit einem Bauzaun gesichert. Niemand kann einfach so hinein.
Vorgestern aber traf ich einen Herrn mit einem märchenhaft großen Schlüssel in der Hand. Es gebe keine Ausnahme. Ich könnte am Sonntag zum Gottesdienst kommen, dann sei die Kirche geöffnet.
Kalt ist es. Die dicke Strumpfhose unter den Jeans war eine richtige Entscheidung. Zwei kleine Mädchen laufen in ihren Tüllkleidchen an meiner Bank vorbei. Man zieht sich doch hübsch an heute! Genauso denken die Alten auch, eine der Frauen meine ich vom Bauernmarkt zu kennen. Sie nickt schmunzelnd zurück.
Ich verstehe kein Wort. Doch die Lieder gehen mir zu Herzen. Auf der Empore über mir singt eine glockenklare Sopranstimme, die so deutlich herauszuhören ist, dass ich mir ein Gesicht dazu vorstelle.
Da! Manches wird nun mal (fast) überall gesungen: Lobe den Herren …! Slavēsim Dievu!
Die Frauen in meiner Nähe versinken in innigem Gebet.
Ich folge meinen Gedanken und bin froh.