Bis 1945 war die St. Katharina Kirche in Kuldiga das Gotteshaus der deutschen Gemeinde.
Der Pastor bereitet sich gerade auf seine Predigt vor, auf Lettisch natürlich, eine Stunde hat er noch. Er ist deutsch-baltischer Herkunft, sein Vati hat noch richtig gut Deutsch gesprochen. Die Russen trauten ihm nicht. Sie steckten ihn in ein sibirisches Straflager. „Schwere Geschichte“, sagt der Pastor erregt, „von sechs Männern sind fünf gestorben. Vati war stark, er war der Sechste, er kam zurück.“ Was aber hieß das dann noch – stark gewesen zu sein – nachdem das Lager ihm alles genommen hatte … Er hat seinen Schmerz, seine Sensibilität und viele deutsche Worte an seinen Sohn weitergegeben, der später in der Lettischen Sowjetrepublik geboren wurde. Manchmal, wenn dieser Sohn, der Pastor, deutsche Stimmen hört, freut er sich auf ein Gespräch. Dann gräbt er in der Familiengeschichte und kommt bis zum Urgroßvati und zur Urgroßmutti.