Königsberg, 1944
[…] Wenn Dieter kam, durfte er die alten Schuhe seines Vaters anbehalten, solange Elsa mit ihm in der Küche blieb. Er roch seine eigenen Füße nicht, aber Elsa konnte beim Einatmen das Bittersaure nicht wegfiltern. Vielleicht wurden Dieters Socken im Winter nicht gewaschen, weil er kein zweites Paar hatte. Großmutter holte das Bonbon-Glas aus dem Wohnzimmer. Mutters Laden hatte eine kleine Lieferung bekommen aus Borntuchen. Da gab es eine Frau, die Bonbons aus Rübensaft kochte. Früher, als fast noch Frieden gewesen war, hatte der kleine Dieter einmal alle Süßigkeiten weggenascht, die er bei Elsa gefunden hatte.
„Die müssen wir wegschließen, wenn der Bursche mal wiederkommt“, hatte Großmutter damals zu ihrer Tochter gesagt. Jetzt aber hatte sie das Glas extra auf den Tisch gestellt.
Dieter schloss beim Lutschen die Augen. „Rübe“, sagte er mit Kennermiene, „und Wiesenkräuter“.
Elsa schob sich auch einen Bonbon in den Mund, obwohl sie sich nichts aus Süßigkeiten machte. Wenn es nach ihr gegangen wäre, brauchte sie gar nichts essen. Sie hatte nie Hunger. Widerwillig kaute sie, was Großmutter für sie zusammenstellte. […]
(Aus dem ersten Kapitel)