Interzonenjahre. Dritte Leseprobe

An der Elbe, 1945

[…] War Elsa aus einem Pullover herausgewachsen, hatte Mutter ihn manchmal Tante Anni gegeben, damit sie etwas Neues daraus strickte. Der Wollfaden wurde mit der Zeit härter und strippiger, aber für die Großtante war das Räufeln und Stricken immer wie Sport gewesen. Oft hatte sie eine ihrer Stuhllehnen mit alter Wolle umwickelt, damit die sich beim Trocknen dehnte. Dann erst hatte sie sie wieder aufgewickelt und dabei das Knäuel geschickt hochgehalten, so dass der Faden den aufgerollten Metern einfach hinterherrannte. Früher hatte Elsa die Großtante gern angefeuert …  schneller, schneller! Dann sah es so aus, als würde der Stuhl nur aus Garn bestehen und sich langsam selbst auflösen. Elsa brauchte nur zu blinzeln, um dabei solche komischen Szenen zu sehen. Irgendwann ließ sich die Großtante nicht mehr antreiben, weil sie kein Gaul wäre!
„Geh doch spielen“, sagte Tante Anni am Fenster.
„Ich spiel ja schon“, antwortete Elsa. […]

Aus dem dritten Kapitel