Der Anfang

Gretel hatte noch nie eine Rede gehalten. Aber jetzt, da der Vetter tot war und sein Akkordeon neben dem Sarg stand, spürte sie, dass noch nicht alles gesagt war. Eine Frohnatur sei er gewesen, die zum Tanz aufspielte, bei Familienfesten sogar, daran erinnerten sich alle. Auch daran, dass das Leben immer leichter schien, wenn er in der Nähe war. Selbst in seinen letzten Wochen noch.
Vorn am Rednerpult sah Gretel, dass sie hier wirklich die Letzte war, die von damals erzählen konnte, als der Vetter fast noch ein Kind gewesen war.
Für den Treck standen ab Mittelwalde Viehwaggons bereit. Weil Opa so krank war, musste er in den Quarantäne-Wagen. Das war schlimm. Doch Oma blieb bei den Kindern.
Das Stroh wärmte nicht. Im Rhythmus der Schienenstöße waren Gretel und die anderen immer stiller geworden. Die Traurigkeit lähmte. Irgendwann hielt der Zug an, und die Türen wurden aufgezogen. Der halbwüchsige Vetter griff nach seinem Akkordeon und setzte sich so, dass die Beine über dem Schotterbett baumelten.
Schon die ersten Töne kamen wie aus einer anderen Welt.
Der Vetter hatte sein Leben noch vor sich und spielte, als sollte es gerade in diesen Momenten so richtig losgehen. Mit kaum mehr als einem Akkordeon, den Großeltern und einer kleinen Cousine.

Jetzt gab es nur noch Gretel. Gut, dass sie all das noch wusste.