Interzonenjahre. Zweite Leseprobe

Unterwegs, 1945

[…] „Darf ich mal?“
Elsa nickte irritiert und überließ der Anderen ihre Hände – kalt, rauh und schmutzig. Vielleicht sollte sie etwas abgelenkt werden. Wenn die Frau die Kraft dazu hatte, sollte es Elsa recht sein.
Noch nie hatte ihr jemand die Hände massiert, jeden Finger, jedes Knöchelchen und sogar die Kuppen. Erstaunt ließ Elsa locker. Die kleinen Wülste, an denen sich die Lebenslinien auf dem Handteller entlang zogen, schienen zu reagieren, und Elsa kroch dichter an die junge Frau heran.
„Kannst du aus der Hand lesen?“
Die Frau schüttelte den Kopf.
„Wer kann das schon? Also so, dass es auch stimmt?“ Sie lachte. „Aber es gibt so viel Leben in den Händen und wenn du hier das Daumen-Dreieck ein bisschen knetest, dann tut das immer gut.“
Sogar Großmutter fingerte sich ihre Hände zurecht und suchte die Stelle.
Anni jedoch griff nach der Kerze, deren Messinghalter Elsa aus der Küche kannte, und flüsterte:
„Wir müssen das Licht löschen.“ […]

Aus dem zweiten Kapitel