Von der Ewigkeit

Niederschlesien, 1944. Onkel Fritz war an einem Stromschlag gestorben. Die kleine Margarete hatte sein Kettenkarussell immer so geliebt. Tante Lisa, die gar keine richtige Tante war, aber egal, nahm sie gern mit an sein schönes Grab.
Die große Marmorplatte war mit einem Globus verziert, auf dem Margarete viele Orte eingraviert sah – für die Ewigkeit. Die Sechsjährige hatte einen Sinn für erhabene Momente, beobachtete die Witwe und nahm dann selbst ein Stöckchen, mit dem sie sanft auf die Platte klopfte. Laut rufen durfte sie nicht auf dem Friedhof, deshalb flüsterte sie: „Onkel Fritz, ich bin da, hörst du mich?“
Nicht allzu weit gab es für das Kind noch ein Grab: das vom Bruder Ernstel, der viel schwächer auf die Welt gekommen war als sein Zwilling Dieter.

Fünfzig Jahre später führte eine Busreise Margarete, Dieter und die Mutter nach Niederschlesien. Auf dem Friedhof fanden sie die Gräber von Ernstel und der Nonne, die der Mutter bei den Geburten geholfen hatte.
Margarete wollte noch zu Onkel Fritz und seinem Globus. Sie suchte und fand schließlich nur noch die überwucherte Gruft. Den Marmor mit dem Globus hatte sich jemand mitgenommen. Onkel Fritz war auch nicht mehr da.
Sie hatte immer gedacht, eine Ewigkeit währte viel länger.