Das Tabu. Eine Gedenkminute für E.

G:          E. ist gestorben, meine Frau. Im April schon.
K:           … Ich habe sie gemocht.
G:          Ja, sie war sehr kinderlieb.

Kurz vor der Geburt meiner Tochter erzählte mir E. einmal auf der Treppe von den zwei Mädchen, die sie einst großgezogen hatte. Es waren ihre kleinen Schwestern.
Die Mutter war ’45 – давай! –  auf dem Acker erschossen worden. Das hatten die drei Töchter mit ansehen müssen. E., der damals Fünfzehnjährigen, blieb nichts anderes übrig, als den Geschwistern die Mutter zu ersetzen. Irgendwie.
Jahre später hat sie als Lehrerin für Geschichte und Staatsbürgerkunde gearbeitet.
Sie wird im Unterricht über das Jahr 1945 erzählt haben, was der Lehrplan vorsah.
Wie sie das nur ausgehalten hat?