Der Hut. Eine Szene

Seit er ein E-Bike und einen Fahrradhelm besitzt, trägt er den alten Filzhut mit der breiten Krempe nur noch auf Beerdigungen, wo er ihn zu gegebener Zeit andächtig vor die Brust zieht und hofft, ihn nicht auf der Bank zurückzulassen.
Im Alltag streift er sich gern die verblichene Baumwollkappe, die in der Familie Fressnapf genannt wird, über den kahlen Schädel. Die ist nicht mehr vorzeigbar, erst recht nicht im Urlaub. Außerdem fordert seine Hautärztin, die Ohren zu bedecken.
Zum ersten Mal betritt er einen Hutsalon.
Von allen Seiten strecken sich ihm unterschiedliche Wölbungen, Farben und Muster entgegen. Auch Männerhüte, wunderbar britisch, aber nichts für einen wie ihn. Sein Fahrradhelm auf dem Stuhl wird zu einem Außerirdischen.
Aus dem Hinterzimmer springt ihm ein Frauchen vor die Füße, das Katharina Thalbach wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Mit Schirmmütze.
Sie nickt, als er von seiner Hautärztin erzählt. Mit der sei sie doch per du. Sie lacht tief und laut, als sie ihm fünf Hüte mit Lichtschutzfaktor vorführt. Die Krempe darf nicht die Ohren berühren, deshalb käme nur jener eine in Frage, dem sie jedoch noch ein wenig ans Hutgummi gehen werde.
Er liebt es noch viel enger, falls ein Wind käme. Doch als er den Druckrand auf seiner Stirn sieht, gibt er ihr recht.
Ja, bei Schuhen und Hüten müsse man sich Zeit nehmen, sagt sie. In dem Moment reift seine Entscheidung.
Unglaublich: Er hat sich einen Hut gekauft! Den behält er gleich auf.
Als das Fahrradschloss aufschnappt, quietscht die Ladentür und die Thalbach reicht ihm seinen Helm.
Eine Filmszene, denkt er.
Und: Eine Hutverkäuferin muss immer auch eine Schauspielerin sein.