Klingelzeichen

In unserer alten Dorfschule durften wir Kinder das Lehrerzimmer nicht betreten. Wenn es doch drängte, dort an die Tür zu klopfen, hatten wir vor der Schwelle stehenzubleiben. Denn dieses von kaltem Rauch durchzogene Zimmer mit richtigen Gardinen an den Fenstern war das Refugium des Lehrpersonals.
Das Wort Konferenz werde ich immer mit den abgewetzten ocker-gelben Sitzpolstern der hier aufgereihten Stühle verbinden. Hier wurde über Schülerschicksale entschieden. Und hier war die Schulklingel, ein Schalter, der direkt neben dem für die Deckenlampe angebracht war.
Wenn mitten im Unterricht ein krächzendes Kurzklingeln ertönte, hatte ein Lehrer beim Lichtanknipsen nicht hingeguckt.
Die Schulsekretärin kümmerte sich um die richtigen Klingelzeichen. Sie ertönten exakt auf die Minute und in immer derselben Länge. Manchmal verstolperte sich das Signal, gerade zum Ende der Hofpause. Dann hatte ein Schüler als kleine Belohnung drücken dürfen.
Einmal in meinen drei Jahren an dieser Schule durfte auch ich. Mein Herz raste. Ich musste den Arm noch strecken, um mit dem Zeigefinger in die Höhe der beiden Schalter zu gelangen. Und dann drückte ich, bis die Fingerkuppe ganz weiß wurde. In der Unterstufe rannten die Kinder noch, wenn es klingelte. Ich sah es durch die Gardinen. Was für ein Zeichen.
„Reicht jetzt!“, murmelte die Sekretärin.